Woher kommt dein Mensch – und warum ist er so geworden?

Bevor eine Figur spricht, handelt oder versagt, war sie irgendwo. Und irgendjemand hat sie dort nicht abgeholt.

Vielleicht stammt sie von der Küste, wo Salz in der Luft liegt und Entscheidungen schneller verrosten. Oder aus einem kleinen Ort, in dem jeder jeden kennt – und niemand etwas weiß. Vielleicht ist sie in den Bergen aufgewachsen, mit langen Wintern und noch längeren Schweigen. Oder sie hat ihre Kindheit in einem Heim verbracht, wo man gelernt hat, nicht zu viel zu wollen, weil Wünsche oft liegenbleiben.

Manche kommen aus reichen Vierteln mit frisch geschnittenem Rasen und nach innen gerichteten Blicken. Andere aus Plattenbauten, wo sich Wärme eher in Worten als in Heizkörpern findet. Es gibt auch die aus den Sümpfen – bildlich oder geografisch – und jene, die „unterwegs“ aufgewachsen sind, mit Koffern statt Betten.

Und die Eltern?
Ach, die Eltern.

Vielleicht waren sie streng und gläubig, streng und betrunken oder einfach nur streng. Vielleicht auch liebevoll, aber überfordert. Oder klug, aber abwesend. Vielleicht war nur einer da. Oder niemand. Oder zu viele. Manche waren tot, bevor man sie kennenlernte, andere lebten noch, aber niemand hat’s gemerkt.

Manche Figuren kommen aus einer Familie, die „funktioniert hat“ – was immer das heißen mag. Andere wuchsen in einem Haus auf, das eher einem Nebel glich: mal war da jemand, mal nicht. Vielleicht gab es viele Geschwister, vielleicht nur Schweigen und einen alten Fernseher.

Kindheit?

Einige hatten eine glückliche. Die meisten nicht.
Manche wurden verwöhnt, andere vergessen.
Ein paar waren still. Andere laut.
Viele waren beides – abwechselnd.

Und dann: die Schule.

Die Figur kann aufs Internat gegangen sein, oder gar nicht. Eine Waldorfschule vielleicht. Oder eine katholische Einrichtung mit viel Disziplin und wenig Diskussion. Oder sie hat sich selbst alles beigebracht – nachts, unter der Bettdecke, mit Taschenlampe und Trotz.

Und wie war sie als Schülerin, als Schüler?
Brav?
Ein Clown?
Unauffällig, aber gefährlich gut im Beobachten?

Und dann: Was kann sie?

Vielleicht sammelt sie Briefmarken oder Waffen.
Oder sie kann segeln, tanzen, schweigen, schießen, rechnen, verführen, fischen, fliehen.
Vielleicht liebt sie Vögel, weil die wenigstens nicht zurückreden.
Oder sie kennt sich aus mit Astrologie, aber glaubt nicht daran.

Jede Fähigkeit erzählt eine Geschichte, selbst wenn sie nie benutzt wird.
Und jedes Hobby ist ein Versuch, die Welt ein bisschen erträglicher zu machen.

Aber Vorsicht: Niemand ist perfekt.

Deshalb: Macken.

Vielleicht flucht sie zu oft. Oder kommt immer zu spät. Vielleicht bohrt er in der Nase, wenn’s spannend wird. Vielleicht redet sie zu laut. Oder er krümelt beim Essen. Vielleicht ist sie ungeduldig, schlecht im Small Talk, süchtig nach Wahrheit oder schlicht ein bisschen zu direkt.

Und das alles?

Ist nicht Kulisse.
Sondern Fundament.

Denn Figuren bestehen nicht nur aus dem, was sie tun. Sondern aus dem, was sie mit sich herumschleppen.
Dem Ort, den sie nie ganz verlassen haben.
Den Stimmen, die sie immer noch hören.
Und den kleinen Fehlern, die sie menschlich machen –
und genau deshalb erzählenswert.