Allgemeine Charakterzüge – oder: Wie Menschen kompliziert wurden

Bevor deine Figur die Welt rettet, sich verliebt oder wenigstens den Müll rausbringt, solltest du wissen, wie sie innerlich tickt. Und zwar nicht nur im großen Stil – „mutig“, „verletzt“, „auf der Suche“ – sondern im Detail.

Ist sie abrupt oder bloß schlecht gelaunt? Agnostisch aus Überzeugung oder nur, weil sie sonntags ausschlafen will? Wachsam? Distanziert? Ehrgeizig, aber mit Bindungsangst? Ein Charmeur mit einem Hang zur Selbstsabotage? Eine Träumerin mit Steuerberatersyndrom?

Es geht um Nuancen. Um feine Risse im Selbstbild. Um Charakterzüge, die nicht in jeder Szene auftreten, aber jede Szene färben. Manche sind grimmig, andere heiter. Manche berechnend, andere verloren. Viele sind beides – und zwar gleichzeitig.

Ein paar Beispiele gefällig? Da wären:

  • Launenhaft, aber loyal.
  • Zuvorkommend, aber rechthaberisch.
  • Romantisch, aber beziehungsunfähig.
  • Geschwätzig, aber mit einem großen Geheimnis.
  • Ehrlich, aber auf eigene Kosten.

Die Liste der Möglichkeiten ist lang. Sehr lang. Und sie wird länger, je genauer du hinsiehst. Denn jeder Charakter ist eine Art Widerspruch auf zwei Beinen – oder mehr, wenn er ein Tentakelwesen aus dem dritten Akt ist.

Mentale und körperliche Eigenheiten

Nicht jeder Held ist sportlich. Nicht jede Heldin ist schlank. Vielleicht trägt dein Charakter Kontaktlinsen, weil er nicht sehen will, was er längst weiß. Oder sie hat Höhenangst, aber lebt in einem Hochhaus. Vielleicht ist er asthmatisch, aber läuft trotzdem jeden Morgen. Oder sie ist stark, aber innerlich zerbrechlich. Manchmal machen gerade die körperlichen Eigenschaften den inneren Konflikt sichtbar – oder umgekehrt.

Gesicht, Körper, Haut

Ein Doppelkinn, das man nicht mehr übersieht. Ein Blick, der zu tief geht. Ein Gang, der wirkt, als wäre man noch nicht ganz angekommen. Schönheit, die auffällt – oder Abwesenheit von Schönheit, die andere vergessen lässt.

Ob jemand blond ist oder sonnenverbrannt, zerzaust oder perfekt frisiert, sagt wenig – bis es mit Bedeutung gefüllt wird. Ein wettergegerbtes Gesicht kann von draußen kommen. Oder vom Leben selbst.

Moralischer Kompass (und seine Brüche)

Ist deine Figur ehrlich – und was kostet sie das? Ist sie treu – aber warum? Ist sie rücksichtslos – aus Notwehr? Oder großzügig – um sich selbst besser zu fühlen?

Charakter ist Handlung in Zeitlupe. Und Moral ist oft nur eine andere Form von Gewohnheit.

Beziehungen

Wer war wichtig? Wer ist es noch? Wer fehlt?

Ein ehemaliger Liebhaber, der immer anruft, wenn’s regnet. Ein Kind, das nur am Wochenende lacht. Eine Mutter, die nie zu Besuch kommt, aber in jedem Satz mitredet. Freunde, Feinde, flüchtige Bekanntschaften – sie alle formen das Beziehungsgeflecht, in dem deine Figur lebt. Und aus dem sie sich manchmal verzweifelt befreien will.

Lebensstil

Allein, aber nicht einsam? Gemeinsam, aber innerlich auf Abstand? Im Loft mit Blick über die Stadt oder in der Gartenlaube mit Gulaschkanone? Streetlife, Hochglanz, Provinz – oder alles zusammen, je nach Tagesform?

Wo und wie jemand lebt, verrät oft mehr als seine Dialoge.

Beruf(ung)

Der Job ist selten nur ein Job. Er ist Haltung, Ausweg, Schutzbehauptung oder letzter Versuch. Ob jemand Opernsängerin, Immobilienmakler oder Tierpräparator ist – das alles bedeutet etwas. Es zeigt, wo jemand hingehört. Oder wo er nie angekommen ist.

Fazit

Eine Figur ist kein Puzzle, das man zusammensetzt. Sie ist ein Körper voller Risse, Stimmen, Spuren und Möglichkeiten.

Und je mehr du über sie weißt, desto eher wird sie dir eines Tages sagen, was du als Nächstes schreiben sollst.